
Bio 3.0-Wissen No. 42: Genug für alle – Welthunger
Ernährungssicherung
Welthunger. Weltweit hungern etwa eine Milliarde Menschen. Gleichzeitig wird vom weltweit geernteten Getreide mittlerweile fast mehr als die Hälfte an Tiere verfüttert und in Autos getankt.
Von der Sojaernte landen sogar 80 % in den Futtertrögen der landwirtschaftlichen Nutztiere. Expert/innen gehen davon aus, dass sich diese Entwicklung in den nächsten Jahren fortsetzen wird, wobei die Nachfrage nach Getreide als Futtermittel aufgrund des wachsenden Fleischkonsums wohl besonders stark ansteigen wird. Immer mehr Ackerland wird also benötigt, um Futter für Tiere statt Essen für Menschen anzubauen.
Eine ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltige Bio-Lebensmittelproduktion gekoppelt mit einer Änderung unserer Konsumgewohnheiten könnte die Lösung vieler Probleme sein. Doch hat der Biolandbau auch das Potential, die Weltbevölkerung zu ernähren? Und hat die große Zahl hungernder Menschen, von denen zwei Drittel auf dem Land leben, nicht ganz andere Probleme als sich die Bio-Frage überhaupt zu stellen?
Bio ist kein Luxus
Zahlreiche Studien und Beispiele aus der Praxis zeigen, dass Bio kein Luxus für reiche Länder ist. Im Gegenteil – viele Gründe sprechen auch in den Ländern des Südens für eine Ausweitung des Biolandbaus: Leistungsfähige und standortangepasste Sorten, durchdachter Mischfruchtanbau, Humusaufbau und langfristige Bodenverbesserung, vielseitige Fruchtfolgen, organische Düngung, intelligente Techniken zum Management von Beikraut- und Schädlingsbefall und andere Maßnahmen sorgen für deutliche Ertragssteigerungen durch biologische Bewirtschaftung und so für eine wesentlich bessere Versorgung der ländlichen Bevölkerung mit Nahrungsmitteln. Gleichzeitig verbessert sich auch die Einkommenssituation der Landwirt/innen in den Ländern des Südens, zudem sichern die Methoden des Biolandbaus die Unabhängigkeit der Bäuerinnen und Bauern vom Einsatz teurer Betriebsmittel wie synthetischer Dünger oder Pestizide.
Die Einbeziehung der Landwirt/innen in die anzuwendenden Verfahren, für die sie geschult werden, sorgt auch für eine Stärkung der Eigenverantwortung und Motivation zu mehr Beteiligung.
Auch eine aktuelle Langzeitstudie, die das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) seit 2007 in Kenia durchführt, zieht diese positive Bilanz. Die Studienergebnisse zeigen, dass die Biolandwirt/innen nicht nur stabile Ernteerträge erzielen, sondern dass die biologische Bewirtschaftung nach fünf Jahren dank der geringeren Produktionskosten und der höheren Marktpreise für Bioprodukte auch rentabler ist. Die positiven Ergebnisse in Kenia sind keine Ausnahme. Aktuelle Untersuchungen z. B. zum Baumwollanbau in Indien und zur Kakaoproduktion in Bolivien kommen zu ähnlich positiven Ergebnissen.
Befürchtungen, eine Vollumstellung auf Bio würde für leere Teller sorgen, scheinen also unbegründet. Denn auch in intensiven Landwirtschaftsgebieten der Industrieländer wäre eine Umstellung auf Bio ohne negative Effekte auf die weltweite Nahrungsmittelverfügbarkeit möglich – eine von Ernährungswissenschaftler/innen empfohlenen Ernährungsweise mit mehr Getreide, Obst, Gemüse und weniger tierischen Lebensmitteln vorausgesetzt.
Und wenn man bedenkt, dass weltweit 1,3 Milliarden Tonnen bzw. ein Drittel aller produzierten Lebensmittel pro Jahr weggeworfen werden bzw. entlang der Wertschöpfungskette verloren gehen, zeigt dies deutlich, dass die Landwirtschaft eigentlich jetzt schon ausreichend Lebensmittel zur weltweiten Ernährungssicherung produzieren würde.
Und abgesehen davon ist die Tatsache, dass die Ursachen für Hunger vielfältig sind und weniger in der landwirtschaftlichen Produktion liegen, sondern vielmehr sozial, wirtschaftlich sowie politisch motiviert sind, auch keine wirklich neue Erkenntnis.
Die Steigerung der Bodenfruchtbarkeit, die Stabilisierung labiler tropischer Ökosysteme, die Förderung der Biodiversität, die Reduktion der Produktionskosten, die Stärkung lokaler Strukturen und die Erschließung neuer Märkte sind klare Bio-Vorteile für die Bäuerinnen und Bauern in den „Entwicklungsländern“.
Die Methoden des Biolandbaus sorgen so auf ertragsschwachen Standorten für nachhaltige Produktivitätssteigerungen, verbessern die Einkommenssituation der Landwirt/innen und sichern zugleich die Unabhängigkeit der Bäuerinnen und Bauern vom Einsatz teurer Betriebsmittel wie synthetische Dünger oder Pestizide.
Quelle: Noah Adamtey et al. (2016): Productivity, profitability and partial nutrient balance in maize-based conventional and organic farming systems in Kenya. Agriculture, Ecosystems & Environment Vol. 235; Zukunftsstiftung Landwirtschaft (Hrsg.) (2013): Wege aus der Hungerkrise. Die Erkenntnisse und Folgen des Weltagrarberichts: Vorschläge für eine Landwirtschaft von morgen. Berlin; Löwenstein, F. (2011): Food Crash – Wir werden uns ökologisch ernähren oder gar nicht mehr, Pattloch, München; Catherine Badgley, C. (2007): Organic agriculture and the global food supply. Renewable Agriculture and Food Systems, Volume 22, pp 86-108; www.fao.org
Teilen Sie diesen Beitrag!


