
Bio 3.0-Wissen No. 33: Frisch auf den Müll – Lebensmittelverschwendung
Ressourcen und Energie / Lebensmittelverschwendung
Lebensmittelverschwendung – Zu groß, zu klein, zu dick, zu dünn, zu gerade, zu gekrümmt – selbst bei Gemüse geht es heutzutage oft mehr um Optik als um Inhalt. Und ehrlicherweise ist man auch selbst nicht davor gefeit, sich bei der Auswahl von Obst und Gemüse auch von Äußerlichkeiten leiten zu lassen.
Aber müssen Gurken immer schön (gerade) sein, oder zählen doch auch die inneren Werte? Und was passiert mit den ganzen Lebensmitteln, die unseren oft überzogenen Ansprüchen nicht entsprechen?
Die Antwort auf die zweite Frage ist schnell gefunden und sehr ernüchternd: Unsere Konzentration auf Äußerlichkeiten trägt mit dazu bei, dass weltweit pro Jahr 1,3 Milliarden Tonnen bzw. ein Drittel aller produzierten Lebensmittel weggeworfen werden oder entlang der Wertschöpfungskette verloren gehen. Die Ursachen dafür sind vielfältig: Mangelnde Abstimmung entlang der einzelnen Produktions-, Verarbei¬tungs- und Handelsstufen, erhöhte optische und qualitative Ansprüche, fehlende Einkaufsplanung, falsche Lagerung und übertriebene Vorsicht bei Haltbarkeitsdaten sind jedenfalls wesentliche Faktoren, die zu dieser Verschwendung führen.
Gleichzeitig hungern fast 1 Milliarde Menschen. Abgesehen von diesem inakzeptablen Nebeneinander von Verschwendung und Hunger werden wertvolle Energie-, Land- und Wasserressourcen vergeudet, um letztendlich Lebensmittel für den Müll zu produzieren. Auch die damit verbundenen Treibhausgasemissionen sind enorm.
Was ebenfalls nicht zu unterschätzen ist: weltweit werden knapp 30 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche für die Produktion von Lebensmitteln benötigt, die nie konsumiert werden, da sie entweder direkt am Feld verderben oder dann entlang der Wertschöpfungskette verloren gehen bzw. weggeworfen werden. Und die mit der Lebensmittelverschwendung verbundenen Produktions-, Umwelt- und Sozialkosten liegen laut vorsichtigen Schätzungen weltweit zumindest bei 2100 Milliarden Euro – immerhin 4 % des globalen Bruttosozialprodukts.
Zu gut für die Tonne
Erfreulicherweise werden in den letzten Jahren diese ethischen, ökonomischen und ökologischen Probleme vermehrt von einer breiten Öffentlichkeit diskutiert, das gesellschaftliche und politische Interesse an einer Lösung wächst. Auch die Europäische Kommission verabschiedete ein Maßnahmenpaket, das zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung und zur Erreichung des von den Vereinten Nationen proklamierten globalen Nachhaltigkeitsziels, die Lebensmittelabfälle bis zum Jahr 2030 zu halbieren, beitragen soll. Konkrete nationale Strategien fehlen zwar vielfach noch, immer mehr Menschen engagieren sich aber mit dem gemeinsamen Ziel, Lebensmittelabfälle zu reduzieren: Gemüse und Obst, das trotz ausgezeichneter Qualität nicht den handelsüblichen Normen entspricht, wird von Caterings und Gastronomie zu delikaten Speisen verkocht, überschüssige Lebensmittel werden an soziale Einrichtungen weitergegeben, Vermarktungsmodelle versuchen überzogenen ästhetischen Standards etwas entgegenzusetzen und sich auf wesentliche Qualitätskriterien zu konzentrieren. Aufklärungskampagnen, Schulungen und Prozessoptimierungen entlang der Wertschöpfungskette sind weitere wichtige Puzzlesteine.
Auch die biologische Lebensmittelproduktion sieht sich in der Verantwortung. Das Bio-Prinzip, Lebensmittel ökologisch, ökonomisch und ethisch korrekt zu produzieren und zu verarbeiten, legt dies auch nahe.
Die Wertschätzung von Lebensmitteln und der verantwortungsvolle Umgang mit ihnen ist immer auch eine Frage des Preises. Die beim Lebensmitteleinkauf häufig anzutreffende Mentalität von „Hauptsache viel und billig“ lässt sich mit den Aspekten der Nachhaltigkeit jedenfalls nicht vereinbaren. Billige Lebensmittel verführen nicht nur dazu, mehr zu kaufen als man eigentlich braucht und den Rest in die Tonne zu befördern, sie verursachen auch hohe externe Kosten. Kosten, die durch negative Auswirkungen der industriellen Produktion auf Boden, Wasser, Klima, Biodiversität usw. entstehen, sich bisher nicht im Produktpreis widerspiegeln und daher von der Gesellschaft getragen werden müssen. Die Schaffung einer solchen Kostenwahrheit würde nicht nur den Biolandbau als ressourcenschonende Produktionsmethode fördern, sondern neben Aufklärung, Vernetzung, Sensibilisierung und konkreten – politischen – Maßnahmen uns alle für einen bewussten Umgang mit Lebensmitteln sensibilisieren.
Während in den Industrieländern jede/r Konsument/in zwischen 95 und 115 kg Lebensmittelabfall pro Jahr produziert, sind es in vielen Ländern Afrikas nur 6 kg.
Allein österreichische Haushalte werfen jährlich mindestens 157.000 Tonnen an Lebensmitteln weg. Monetär entspricht das einem Wert von zumindest 300 Euro pro Haushalt und Jahr.
Laut einer Untersuchung gehen in der EU 42 % aller weggeworfenen Lebensmittel auf das Konto der privaten Haushalte. 39 % landen bei der Herstellung im Müll, 14 % in der Gastronomie und 5 % im Einzelhandel.
Zu den Prinzipien der biologischen Landwirtschaft gehört es, Lebensmittel ökologisch, ökonomisch und ethisch korrekt zu produzieren und zu verarbeiten. Dazu gehören auch die Wertschätzung von Lebensmitteln und der verantwortungsvolle Umgang mit ihnen.
Download „Frisch auf den Müll“
Quelle: FAO (2014): Food wastage footprint. Full-cost accounting. Final report; FAO (2013): Food wastage footprint. Impacts on natural resources. Summary report; Schneider, F. et al. (2012): Sekundärstudie Lebensmittelabfälle in Österreich. Institut für Abfallwirtschaft, BOKU; FAO (2011): Global food losses and food waste. Extent, causes and prevention; European Commission (Hrsg.) (2010): Preparatory study on food waste across EU 27. Final report.
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