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Bio 3.0-Wissen No. 49: Systematisch zu mehr Bio

Kommunikation

Systematisch zu mehr Bio. Der Biolandbau ist als Gesamtkonzept wie die meisten Bereiche der modernen Gesellschaft wissensintensiv und sehr komplex. „Bio“ steht nicht nur für eine bestimmte Art der Produktion, sondern bedeutet auch Wissenschaft, Technik und Praxis sowie Lebenseinstellung und Ernährungsstil.

Bio-Konsum-Literacy Gesundheitskompetenz Zubereitungskompetenz Konsumverhalten Bio-Lebensmittel WissensvisualisierungDer Einflussbereich und die Lösungsansätze der Biolandwirtschaft sind dementsprechend weit gefasst. Die Vorzüge und Besonderheiten der biologischen Landwirtschaft lassen sich nicht in einem Satz erklären. Um all die vielschichtigen Zusammenhänge erkennen und verstehen zu können, ist es daher wichtig, innovative Wege in der Zusammenarbeit mit Konsument/innen zu beschreiten, das gute Verständnis für die biologische Praxis zu fördern und das Wissen über die Vorzüge der Biolandwirtschaft im Konsumalltag zu etablieren.

Trotz seiner Lösungskompetenz für zahlreiche aktuelle und zukünftige Herausforderungen der Menschheit – Schlagwort Klimawandel oder Bodenerosion – und trotz aller Erfolge der letzten Jahre befindet sich Bio immer noch in einer Nische. Neben zahlreichen anderen engagierten Menschen aus der Bioszene geht daher auch das FiBL Österreich der Frage nach, was wir wann und wie lernen müssen, um das komplexe Bio-System besser zu verstehen und das Dilemma zu überwinden, dass zwar viele gute Argumente für Bio sprechen, im Moment des Einkaufs aber zu wenig greifen.

Das große Ganze
Ein Grundproblem liegt wohl darin, dass Bio-Vorteile meist an einzelnen Vorzügen, wie geringere Schadstoffbelastung oder artgemäße Tierhaltung, festgemacht werden, dass aber der einzigartige Mehrwert biologischer Lebensmittel, der sich systemisch betrachtet aus der Summe aller Vorzüge ergibt, nur schwer zu fassen ist. Viele Eigenschaften, die das System Bio hervorbringt, können in den einzelnen Teilen dieses Systems nicht abgebildet werden. Vielmehr beruhen sie auf dem Zusammenwirken des Ganzen. Das systemische Denken und ein ganzheitliches Verständnis zählen daher zu den Schlüsselkompetenzen für zukünftige Bio-Konsument/innen.

Bio-Konsument/nnen von morgen benötigen dafür neue Konsumkompetenzen (Consumer Literacy). Als sogenannte Consumer Citizens – darunter versteht man aktive, systemisch denkende Konsumbürger/innen – werden sie sich ihrer Rolle als Konsument/innen und der daran geknüpften Verantwortung in der Gesellschaft bewusst und fordern gleichzeitig Verantwortung von Politik und Wirtschaft ein, um einen nachhaltigen Konsum zu forcieren bzw. zu erleichtern.
Zum systemischen Denken der Konsumbürger/innen gehört auch, sich zu interessieren, welche Wirkung unsere Handlungen auf einer globalen Ebene und mitunter auch erst zu einem späteren Zeitpunkt haben können. Diese Vorstellungskraft für zukünftige Ereignisse und auch welche Strategien und Maßnahmen wir daraus ableiten, spielt gerade im Zusammenhang mit globalen Problemen wie dem Klimawandel eine wesentliche Rolle. Systemisches Denken bedeutet aber auch, sich mit der eigenen Meinung und vorgefassten Bildern auseinanderzusetzen und diese zu überdenken.

Die neuen Konsumkompetenzen der Biokonsum-Literacy könnten den Konsument/innen also einerseits Einsichten über eigene Weltbilder und Handlungsmuster ermöglichen, andererseits befähigt diese Literacy Menschen, ihre passive Konsument/innenrolle zu verlassen und sich auch durch veränderte Konsumgewohnheiten aktiv für einen nachhaltigen Lebensstil einzusetzen. Die erworbenen Kompetenzen ermöglichen es schließlich, den multiplen Mehrwert von Bio-Lebensmitteln besser zu verstehen, gewisse Muster und Zusammenhänge, die bei der Bewertung und Kaufentscheidung von Bio-Lebensmitteln leicht abrufbar sind, wahrzunehmen und zu erkennen, den Zusammenhang zwischen dem eigenen Kaufverhalten, den persönlichen Einstellungen und den gesellschaftlichen Mustern und Trends herzustellen und nicht zuletzt die Verbindung zwischen Kaufabsicht und tatsächlicher Alltagsroutine zu erkennen.

Erst dieses systemische Wissen über die Zusammenhänge der Prozessqualität der biologischen Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion und dem eigenen Verhalten im Alltag ermöglicht es bewusst handelnden Konsument/innen jene Kluft zu schließen, die derzeit zwischen der Willensbekundung Bio-Lebensmittel zu kaufen und dem realem Handeln steht.

Bio-Konsum-Literacy Gesundheitskompetenz Zubereitungskompetenz Konsumverhalten Bio-Lebensmittel WissensvisualisierungUm Bio in die Mitte der Gesellschaft zu bringen, braucht es kritische, reflektierte Konsumbürger/innen die ihr Ernährungs- und Konsumverhalten überdenken und verändern, die Welt in Zusammenhängen begreifen und sich gemeinsam mit allen Akteur/innen der Bio-Szene für neue agrar-, wirtschafts-, und sozialpolitische Rahmenbedingungen engagieren. Neues systemisches Denken motiviert dabei zu reflektierten Kaufentscheidungen, die zu nachhaltigen Konsumverhalten beitragen und kritische Konsumbürger/innen zu Verbündeten für die Vision von Bio 3.0 macht.

Download „System(at)isch zu mehr Bio“

Quelle: Greger, L. (2016): System(at)isch zu mehr Bio. Projektbericht; Niggli, U. (2015): Mit Bio zu einer modernen nachhaltigen Landwirtschaft. Ein Diskussionsbeitrag zum Öko- oder Biolandbau 3.0; Niggli, Urs (2015). Hintergrunddokument zum Diskussionspapier ‘Wege zu mehr Bio in Europa und weltweit!‘; McGregor, S. (2002): Consumer Citizenship: A Pathway to Sustainable Development. Keynote at International Conference on Developing Consumer Citizenship. Hamar, Norway.


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