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Bio 3.0-Wissen No. 29: Die letzten ihrer Art – Gefährdete Nutztierrassen

Biodiversität / Agrobiodiversität – Vielfalt der Nutztiere

Gefährdete Nutztierrassen – Sie sind gesellig und sozial, sehen mit ihren lockigen Borsten sehr sympathisch aus und geben sich rustikal und ziemlich entspannt: die Wollschweine. Und, sie sind, wie viele andere Nutztierrassen, vom Aussterben bedroht. Die Wollschweine haben allerdings ein für sie wohl eher fragwürdiges Glück: ihr Fleisch gilt mittlerweile wieder als Delikatesse und die kulinarische Nachfrage hilft dabei, den Bestand zumindest vorerst zu sichern.

Pustertaler Sprinzen, Tiroler Grauvieh, Kärntner Brillenschafe oder Turopolje Schweine haben mit den Wollschweinen etwas gemeinsam – sie alle können mit den Anforderungen der Massentierhaltung nicht mithalten und sind daher in ihrem Bestand gefährdet. Das Verschwinden von Nutztierrassen erfolgt schleichend, aber stetig. Schlimm genug, dass damit wichtiges Kulturgut und spezielle Geschmackserlebnisse verloren gehen, aber was bedeutet der Verlust der Rassenvielfalt für unsere zukünftige Ernährung?

Die moderne intensive Tierhaltung stützt sich weltweit auf einige wenige Hochleistungsrassen. Rassen, die nicht als leistungsfähig genug gelten, verschwinden. Dadurch gehen wertvolle Merkmale verloren, wie die Eigenschaft bestimmter Tierrassen hohe oder extrem niedrige Temperaturen zu ertragen oder mit wenig Wasser, minderwertigem Futter und großen Höhenlagen zurechtzukommen. Merkmale, die gerade in Zeiten des Klimawandels immer wichtiger werden. Laut FAO sind weltweit etwa 17 % der Nutztierrassen vom Aussterben bedroht. Bei weiteren 60 % ist noch gar nicht klar, ob sie gefährdet sind oder nicht, da Daten fehlen, um genaue Aussagen machen zu können. Die Zahl der gefährdeten Tierrassen dürfte also noch deutlich höher liegen – vor allem, wenn man sich an die Statistiken hält, nach denen weltweit durchschnittlich jedes Monat eine Nutztierrasse unwiederbringlich verschwindet. Allein in den Jahren von 2000 bis 2014 sind mehr als 100 Haustierrassen ausgestorben.

Vie(h)lfalt in Bio-Ställen
Ein Verlust, den wir uns eigentlich nicht leisten können, denn die genetische Vielfalt der Nutztierrassen trägt nicht zuletzt zur weltweiten Ernährungssicherheit bei. In ihrem aktuellen Weltbericht über tiergenetische Ressourcen betonen die Expert/innen der FAO, dass wir auf die genetische Vielfalt von Nutztieren angewiesen sind, wenn wir mehr Nahrung für mehr Menschen erzeugen und uns gegen die Gefahren neuer Tierkrankheiten sowie die Auswirkungen des Klimawandels wappnen wollen.
Um die Vielfalt seltener Nutztierrassen auch für künftige Generationen zu bewahren, sind daher verstärkte Anstrengungen nötig. Dabei reicht es nicht aus, Genmaterial lediglich einzufrieren, um die fortschreitende Generosion abzuwenden. Es bräuchte vielmehr gezielte Programme, die die Anpassungsfähigkeit der unterschiedlichen Nutztierrassen besser erforschen bzw. lokale Rassen durch spezielle Programme erhalten und weiter für die Zucht nutzen.
Neben vielen anderen Initiativen sind es auch zahlreiche Biobäuerinnen und Biobauern, die für Vie(h)lfalt im Stall und am Teller sorgen. Sie wollen das Verschwinden weiterer alter Rassen nicht hinnehmen und setzen sich für deren Erhalt ein, indem sie ihr Fleisch, ihre Milch oder Wolle nutzen. Mit ihrem Engagement bewahren sie einen „Schatz“, von dem wir heute noch nicht wissen, wie sehr wir ihn vielleicht doch einmal brauchen werden. Denn auch wenn im Zeitalter der Massentierhaltung andere Werte zählen und Eigenschaften wie fettes Fleisch, Robustheit, Genügsamkeit oder soziales Verhalten der Tiere im Moment eher nicht von Interesse sind – in der Zukunft vielleicht schon. Ob wir dann noch darauf zurückgreifen können, entscheidet sich aber heute.

Das gilt zwar nicht für Vegetarier/innen, aber grundsätzlich macht so ein Wollschweinschnitzel zwischendurch daher durchaus nicht nur kulinarisch Sinn.

Die Erhaltung der genetischen Vielfalt unserer Nutztiere ist für die globale Ernährungssicherung, die nachhaltige Entwicklung und als Lebensgrundlage für Milliarden Menschen unentbehrlich.

In der biologischen Landwirtschaft zählt nicht nur die Nutzleistung rund um Fleisch, Eier oder Milch, sondern auch Robustheit, Genügsamkeit oder gute Muttereigenschaften einer Rasse.

Download „Die letzten ihrer Art“

Quelle: FAO (2015): The Second Report on the State of the World’s Animal Genetic Resources for Food and Agriculture; Felix zu Löwenstein (2015): Es ist genug da. Für alle. Verlag Knaur; GIZ (2011): Agrobiodiversität — Schlüssel für Ernährungssicherung und Anpassung an Klimawandel. Ein Diskussionspapier; IAASTD (Hrsg.) (2009): Agriculture at a Crossroads. Global Report. Island Press; www.topagrar.com


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