
Bio 3.0-Wissen No. 28: Bunte Mischung – Sortenerhaltung
Biodiversität / Agrobiodiversität – Vielfalt der Nutzpflanzen
Sortenerhaltung – Statt sich mit fader Einheitsware zufrieden zu geben, besinnen sich immer mehr Konsument/innen auf der Suche nach kulinarischer Abwechslung auf die kaum überschaubare Vielfalt unserer Kulturpflanzen. Doch ist diese Sehnsucht nach intensiven und vielschichtigen Geschmackserlebnissen nicht ein Luxusphänomen unserer privilegierten, westlichen Zivilisation? Wären nicht Millionen Menschen froh, überhaupt etwas zu essen zu bekommen? Oder hat das eine mit dem anderen vielleicht mehr zu tun, als wir auf den ersten Blick erahnen?
Was gleich zu Beginn klar zu stellen ist: Die wachsende Freude an der Vielfalt unserer Kulturpflanzen kann nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass laut Schätzungen weltweit mittlerweile 75 % der Kulturpflanzensorten von wenigen Hochleistungssorten verdrängt worden sind. Weniger als 30 Pflanzenarten übernehmen heute 95 % der Welternährung. Unsere Ernährungsweise ist also trotz kaum überschaubarer Produktvielfalt im Grunde ziemlich eintönig geworden.
Die lange Geschichte der nun gefährdeten Kulturpflanzenvielfalt begann mit der Sesshaftwerdung der Menschen und der Inkulturnahme von Wildpflanzen. Saatgut wurde als Gemeingut getauscht und weitergegeben, nachgebaut, selektiert und an neue Standortbedingungen und Anforderungen angepasst. Dies war und ist die Grundlage von Erhaltung und Entwicklung biologischer und kultureller Vielfalt und für eine langfristige Ernährungssicherung wesentlich. Heute hat sich rund ums Saatgut allerdings ein gewinnbringender Wirtschaftszweig entwickelt. Die damit einhergehende Monopolisierung des Saatgutmarktes war der Kulturpflanzenvielfalt nicht unbedingt zuträglich. Sie hat vielmehr dazu beigetragen, dass die „Agrobiodiversität“, die Vielfalt von Nutztieren und -pflanzen, zunehmend gefährdet ist.
Erfreulicherweise arbeiten neben anderen Initiativen zahlreiche Biobäuerinnen und Biobauern daran, das Kulturerbe der Sortenvielfalt und das damit verbundene Wissen zu sammeln, zu erhalten und weiter auszubauen. Es geht dabei nicht nur darum, alte Sorten zu erhalten, sondern auch neue Sorten für den Biolandbau zu entwickeln. Die Gärten und Felder der Bäuerinnen und Bauern werden dafür weltweit zu „Forschungslabors“, in denen Kulturarten und deren Sorten ausprobiert und (weiter)entwickelt werden.
Sortenerhaltung durch Nutzung
Denn für die dauerhafte Erhaltung und Entwicklung der biologischen Vielfalt reicht es nicht aus, traditionelle und lokale Sorten in Genbanken zu konservieren, sie müssen kultiviert und genutzt werden. Die Vielfalt der Kulturpflanzen ist daher eng an menschliche Nutzung gekoppelt. Was nicht produziert, verarbeitet, gekauft, gegessen oder anderweitig genutzt wird, verschwindet. Und mit jeder alten Sorte gehen nicht nur eine bestimmte Eigenschaft oder ein besonderer Geschmack, sondern auch Kulturwert und traditionelles Wissen unwiederbringlich verloren. Mit der Vielfalt verschwindet auch ein Handwerk und die Kunst jene Sorten zu erhalten, die für die Region typisch waren und unter den dort herrschenden Bedingungen besonders gut gewachsen sind oder die sich besonders gut zu regionaltypischen Speisen verarbeiten ließen.
„Sortenerhaltung durch Nutzung“ ist daher das Motto zur Sicherung der Kulturpflanzenvielfalt, die eine wesentliche Basis für die Stabilität von Agrarökosystemen bildet, als eine der nachhaltigsten Anpassungsstrategien an den Klimawandel gilt und eine Voraussetzung für die weltweite Ernährungssicherung ist.
Es sind also bei weitem nicht nur moralische oder kulinarische Gründe, die für den Schutz der Agrobiodiversität sprechen. Unabhängig von individuellen Beweggründen ist es in unser aller Interesse, auch in Zukunft für eine bunte Mischung an Formen, Farben und Geschmäckern auf unseren Tellern zu sorgen. Denn auch wenn wir nur ein Puzzlestein von vielen sind, können auch wir als Konsumen/innen mit unserem Einkauf ein deutliches Zeichen für die Vielfalt setzen.
Alleine im Laufe des 20. Jahrhunderts wurden weltweit rund 75 % der Kulturpflanzensorten von wenigen Hochleistungssorten verdrängt.
Biobäuerinnen und Biobauern ist es ein Anliegen, die Agrobiodiversität bzw. das Kulturerbe der Sortenvielfalt zu erhalten, weiterzuentwickeln und so ganz wesentlich dazu beizutragen, dass die bunte Palette regionaler und lokaler Obst- und Gemüsevielfalt auch in Zukunft erhalten wird.
Quelle: FAO (2012): Zweiter Weltzustandsbericht über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft. Kurzfassung; GIZ (2011): Agrobiodiversität — Schlüssel für Ernährungssicherung und Anpassung an Klimawandel. Ein Diskussionspapier; IAASTD (Hrsg.) (2009): Agriculture at a Crossroads. Global Report. Island Press; BMELV (2007): Agrobiodiversität erhalten. Potenziale der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft erschließen und nachhaltig nutzen; www.arche-noah.at; www.bfn.de
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