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Bio 3.0-Wissen No. 17: Erfundene Pflanzen? Nein zur Patentierung von Lebewesen

Pflanzen / Patente

Nein zur Patentierung von Lebewesen – Patente schützen das geistige Eigentum einer Erfindung. In letzter Zeit stolpert man aber immer wieder über Meldungen, in denen „Patent“ und „Brokkoli“ in einem Satz genannt werden. Wie passt das zusammen und was steckt dahinter?

Über Jahrtausende hinweg von Landwirt/innen erhalten, getauscht und weiterentwickelt, war Saatgut öffentliches Gut. Erst mit der Einführung von Hybridsaatgut in den 1920er Jahren wurde die Saatzucht zu einem Geschäft. Neue Hochleistungssorten erhöhten die Ernteerträge, führten aber auch zu einem steigenden Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln.
Mit dem Aufkommen der „Grünen Gentechnik“ Anfang der 1990er Jahre änderte sich dann einiges – auch in Bezug auf frei verfügbares und vermehrbares Saatgut. Bis dahin galt der Grundsatz: Pflanzen und Tiere können nicht „erfunden“ und daher auch nicht patentiert werden. Mit dem Einzug der Gentechnologie geriet er ins Wanken, zahlreiche Patente auf gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere wurden seitdem vergeben.

Seit der Jahrtausendwende gibt es einen neuen Trend: mit wachsendem Erfolg bemühen sich Unternehmen, Patente auch auf herkömmlich gezüchtete Pflanzen anzumelden. Die EU verbietet zwar Patente auf „Pflanzensorten und Tierarten“ sowie auf die „im Wesentlichen biologische“ Züchtung von Pflanzen und Tieren, doch fragwürdige Interpretationen des Europäischen Patentübereinkommens machen es möglich, diese Patentgesetze nicht ganz so eng zu sehen. Besonders kritisch wird eine Entscheidung bewertet, nach der Verfahren der konventionellen Züchtung zwar nicht patentiert werden dürfen, Pflanzen und Tiere, die aus einer solchen Züchtung stammen, hingegen schon. Die Reichweite der Patente ist zudem oft sehr umfangreich und erstreckt sich häufig auf die gesamte Kette der Lebensmittelerzeugung, vom Acker bis auf den Teller. Der Patentinhaber erhält so exklusive Nutzungsrechte auf Pflanzen, auch wenn sie aus traditioneller Züchtung hervorgegangen sind. Mehrere solcher Patente – unter anderem auf Brokkoli und Tomaten – wurden bereits erteilt.

Die biologische Landwirtschaft sieht diese Entwicklung sehr kritisch. Eine Patentierung von Lebewesen widerspricht den Grundprinzipien des Biolandbaus und wird daher abgelehnt. Vielmehr setzen sich Biobäuerinnen und Biobauern für ein Agrarsystem der Vielfalt und der Wahlfreiheit ein. Landwirt/innen sollen selbst darüber entscheiden, welches Saatgut sie verwenden – und wir Konsument/innen, welche Gemüsesorten wir kaufen.
Da meist nur große Konzerne die finanziellen Mittel für die Anmeldung von Patenten sowie für die Durchsetzung der daraus folgenden Rechte haben, fördern Patente die Konzentration des Saatgutmarktes. Dies verhindert echten Wettbewerb, behindert Innovationen und gibt einigen wenigen die Möglichkeit, darüber zu entscheiden, was am Acker angebaut wird, was wir essen und welchen Preis wir dafür bezahlen.
Bereits heute werden Pflanzen und Tiere zu „Erfindungen“ privater Firmen. Hält diese Entwicklung an, sind wir alle davon betroffen: Landwirt/innen, die von Saatgutkonzernen zunehmend abhängig werden, da sie für den Anbau von Saatgut Lizenzgebühren zahlen müssen, Züchter/innen und Nahrungsmittelproduzent/innen, aber auch wir Konsument/innen, die wir in unserer Wahlfreiheit beim Lebensmitteleinkauf immer mehr eingeschränkt werden. Bestimmen nur wenige Saatgutfirmen darüber, welche Sorten angebaut werden, gefährdet dies die Nachhaltigkeit und biologische Vielfalt von Agrarsystemen ebenso wie die globale Ernährungssicherheit und die regionale Ernährungssouveränität.

Einige Länder – darunter auch Österreich – lehnen derartige Patente grundsätzlich ab und haben dies auch gesetzlich geregelt. Auch die EU-Kommission hält in einer aktuellen Stellungnahme Pflanzen und Tiere aus herkömmlicher Züchtung für nicht patentierbar. Da dies der bisherigen Praxis des Europäischen Patentamts, das keine Institution der EU ist, widerspricht, fordern Kritiker/innen in einer internationalen Koalition weiterhin „Keine Patente auf Saatgut“ und appellieren, rechtlich bindende Regeln für die Auslegung des Patentgesetzes umzusetzen. Damit auch in Zukunft die allgemeine Zugänglichkeit und Vielfalt der genetischen Ressourcen unserer Kulturpflanzen erhalten bleibt.

Die Vielfalt der Kultur- und Wildpflanzen stellt eine wesentliche Grundlage für die Entwicklung neuer Sorten und damit für die Ernährungssicherung und Ernährungssouveränität dar. Patente können den freien Zugang zur Kulturpflanzenvielfalt stark einschränken.

Der Biolandbau steht für eine Landwirtschaft, die Vielfalt, Nachhaltigkeit und Wahlfreiheit in den Vordergrund stellt. Eine Patentierung von Lebewesen widerspricht den Grundprinzipien der Biolandwirtschaft und wird daher grundsätzlich abgelehnt.

Download „Erfundene Pflanzen?“

Quelle: Then, C. und Tippe, R. (2013): Melonen von Monsanto. Über die Zunahme von Patenten auf konventionelle Züchtungen. Kritischer Agrarbericht 2013; IAASTD (Hrsg.) (2009): Agriculture at a Crossroads. Global Report. Island Press; www.no-patents-on-seeds.org; www.arche-noah.at; www.transgen.de; www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2016/PK0829/

 

 


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