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Bio 3.0-Wissen No. 14: Vielfalt statt Einfalt – Biologische Pflanzenzüchtung

Pflanzen / Pflanzenzüchtung

Biologische Pflanzenzüchtung – Gregor Mendel und die Erbsen. Wir erinnern uns dunkel an den Biologieunterricht und die anhand unterschiedlicher Erbsenformen und Blütenfarben definierten Mendelschen Gesetze. Die Erkenntnisse des Augustinermönchs bildeten vor 150 Jahren die Grundlage der modernen Pflanzenzüchtung.

Doch ohne sein Licht unter den Scheffel stellen zu wollen: gezüchtet und selektiert wird schon deutlich länger – genaugenommen seit der Mensch sesshaft wurde und mit dem Anbau von Pflanzen begann. Seit damals ist Saatgut die Grundlage unserer Ernährung und wichtiges Kulturgut. Das Tauschen, Nachbauen und Pflegen sowie die gezielte Auslese durch den Menschen haben zur ungeheuren Vielfalt an Kulturpflanzen, Varietäten und Sorten beigetragen.
Die Anforderungen an die Pflanzenzüchtung haben sich im Laufe der Zeit geändert – auch im Biolandbau. Was gleich geblieben ist? Die biologische Landwirtschaft betrachtet die Pflanzenzüchtung gemäß ihren Prinzipien ganzheitlich. Neben einer Vielzahl an Eigenschaften, die auch im konventionellen Landbau eine wichtige Rolle spielen, werden an Bio-Sorten besondere Ansprüche gestellt: Sie sollten optimal an den jeweiligen Standort angepasst sein, Beikräuter unterdrücken, Wasser und Nährstoffe effizient nutzen und widerstandsfähig gegenüber Krankheiten, Schädlingen und Umwelteinflüssen sein. Die Zuchtziele sind auf die jeweilige Kulturart abgestimmt und auf die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen sowie die Förderung der Agrobiodiversität ausgerichtet. Im Mittelpunkt steht die Entwicklung vielfältiger, regional angepasster Kulturpflanzen, die unter den gegebenen Bio-Bedingungen stabile Erträge liefern, zur Ernährungssicherung und Ernährungssouveränität beitragen und den hohen Anforderungen hinsichtlich technischer und ernährungsphysiologischer Qualität gerecht werden.

Derzeit ist der Biolandbau allerdings vielfach von konventionellen Sorten abhängig. Der Nachteil: diese Sorten erbringen ohne den Einsatz externer Betriebsmittel wie Mineraldünger und Pestizide nicht ihre volle Leistungsfähigkeit. Um den komplexen Zuchtzielen der biologischen Landwirtschaft gerecht zu werden und die Erträge in der biologischen Nahrungsmittelproduktion zu verbessern, ist eine eigene Bio-Züchtung mit einem breiten Sortenspektrum eine wesentliche Voraussetzung. Ein weiterer Punkt, der dafür spricht, ist die Tatsache, dass Züchtung heute zunehmend in monopolähnlichen Marktstrukturen erfolgt: So bestimmen die drei größten Saatgutunternehmen weltweit über 50 % des gesamten Saatgutmarktes. Das führt dazu, dass sich die Züchtungsanstrengungen auf wenige, gewinnbringende Hauptkulturarten konzentrieren, genetische Ressourcen nur mehr eingeschränkt genutzt werden, Landwirt/innen langfristig gesehen abhängig von wenigen Saatgutherstellern werden und die Agrobiodiversität mehr und mehr schwindet. Auch der stark zunehmende Einsatz biotechnologischer Züchtungstechniken, die nicht immer mit den Prinzipien des Biolandbaus übereinstimmen, macht die Entwicklung biotauglicher Alternativen notwendig.

Biologische Pflanzenzüchtung – ethisch, ökologisch, umfassend

Die Aufgabe der biologischen Pflanzenzüchtung liegt darin, verbesserte Bio-Sorten zu entwickeln, ohne die ethischen und ökologischen Grundsätze des Biolandbaus zu verletzen. Es gilt daher umfassende Kriterien zu definieren, die eine seriöse und transparente Beurteilung einzelner Züchtungsmethoden unter Berücksichtigung der Prinzipien des Biolandbaus gewährleisten und den wachsenden Herausforderungen einer nachhaltigen Nahrungsmittelproduktion gerecht werden.

Die biologische Pflanzenzüchtung leistet schon jetzt einen wichtigen Beitrag für den Erhalt und den Ausbau der genetischen Vielfalt. Das ist gut so, denn Saat- und Pflanzgut gehören zu unseren wohl wichtigsten Ressourcen. Die Förderung vielfältiger Forschungsansätze in der Bio-Züchtung sowie praxisnahe Projekte, die alternative oder vernachlässigte Kulturarten züchterisch bearbeiten, sind daher in jedem Fall eine Investition in die Zukunft.

Schätzungsweise 75 % aller Nutzpflanzensorten gingen im 20. Jahrhundert unwiederbringlich verloren.

Heute dominieren Hybridsorten und machen im Gemüsebau rund 70 % des verfügbaren Saatguts aus. Hybridsorten haben den Vorteil, dass sie im Anbau sehr homogen sind und zudem hohe Erträge liefern. Bei einer Weitervermehrung gehen diese Eigenschaften verloren, weshalb Hybridsaatgut – im Gegensatz zu samenfesten Sorten – jedes Jahr wieder neu zugekauft werden muss.

Die biologische Landwirtschaft betrachtet die Pflanzenzüchtung gemäß ihren Prinzipien ganzheitlich. Zu den Zuchtzielen gehören daher auch die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen, die Sicherung der Ernährungssouveränität sowie die Förderung der Kulturpflanzenvielfalt.

Download „Vielfalt statt Einfalt“

Quelle: Messmer, M. und Wilbois, K.-P. (2015): Was ist uns gute Züchtung wert? Ökologie & Landbau 02/2015; FiBL (Hrsg.) (2012): Techniken der Pflanzenzüchtung. Dossier; BÖLW (Hrsg.) (2012): 28 Antworten zum Stand des Wissens rundum Ökolandbau und Bio-Lebensmittel; FiBL (Hrsg.) (2011): Ökologisch partizipative Pflanzenzüchtung; www.weltagrarbericht.de

 

 


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