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Bio 3.0-Wissen No. 12: Gut vernetzt – Düngung

Pflanze / aktive Nährstoffmobilisierung

Düngung – Justus Liebig – der Name ist geläufig. Aber in welchem Zusammenhang?
Eine kurze Recherche hilft dem Gedächtnis auf die Sprünge und ergibt, dass er als Chemiker unter anderem für die Mineralstofftheorie verantwortlich zeichnet, die, obwohl schon 150 Jahre alt, bis heute die landwirtschaftliche Düngepraxis prägt.

Demnach dient Düngung dazu, mineralische Nährstoffe, die dem Boden durch die Pflanzen entzogen werden, wieder zu ersetzen. Nach dem Motto: der Vorrat ist begrenzt und ist das Fass leer, muss es wieder aufgefüllt werden. Klingt logisch – andererseits gedeihen Pflanzen doch auch ganz ohne menschliches Zutun?

Pflanzen sind über ihre Wurzeln eng mit dem Boden und den dort lebenden Mikroorganismen verbunden. Auf dieses Netzwerk setzt auch der Biolandbau, wenn es darum geht, nicht nur die Pflanze zu „füttern“, sondern das System Pflanze – Boden – Mikroorganismen zu aktivieren und am Laufen zu halten. Doch wie funktioniert dieses Beziehungsgeflecht, wenn es um die Ernährung der Pflanze geht? Und wie aktiv ist die Pflanze selbst an der eigenen Nährstoffversorgung beteiligt?

Edwin Scheller heißt der Mann, der sich in den 1980er Jahren wohl ähnliche Fragen gestellt und genauer hingesehen hat. Ihm fiel auf, dass bei rund 30 Jahre dauernden Langzeitversuchen in den nicht gedüngten Anbauvarianten zwar eine starke Nährstoffabfuhr stattfand, die Erträge sich aber über die Jahre von denen der gedüngten Varianten kaum unterschieden. Der Agrarwissenschaftler stellte die passive Rolle der Pflanzen in Frage und fand Hinweise, dass Pflanzen ihre Umwelt aktiv mitgestalten und z. B. Mineralien aus dem umliegenden Gestein aufschließen. Aktive Nährstoffmobilisierung nennt sich dieser ebenso komplexe wie beeindruckende Prozess: Viele Nährstoffe liegen in Böden und dem darunter liegenden Gestein in ausreichender Menge, aber häufig in nicht pflanzenverfügbarer Form vor. Um an diese immobilen Nährstoffe heranzukommen, entwickeln Pflanzen besondere Strategien: Sie entnehmen Stoffe aus der Bodenlösung und scheiden über ihre Wurzeln Substanzen aus, um die Konzentration der Bodenlösung abzusenken und Nährstoffe wie Kalium oder Magnesium aus den Schichten der Minerale zu mobilisieren.
Doch damit nicht genug: Die Pflanzen geben Botenstoffe, Kohlehydrate, Zucker oder Aminosäuren über ihre Wurzeln in den Boden ab und locken dadurch ganz gezielt unterschiedlichste Mikroorganismen in ihren Wurzelraum. Die Mikroorganismen wandeln ihrerseits Kohlehydrate und Zucker in organische Säuren um, beschleunigen dadurch unter anderem den Verwitterungsprozess des Gesteins und somit auch die Freisetzung von Nährstoffen, die sonst für die Pflanze nicht verfügbar wären.

Häufig scheiden Pflanzen genau jene Verbindungen aus, die für die Freisetzung der jeweils benötigten Nährstoffe – direkt oder indirekt über Mikroorganismen – nötig sind. Und noch besser: sie können anscheinend auch die Zusammensetzung der Ausscheidungen steuern und beeinflussen so die Mikroorganismenpopulation im Wurzelraum. Was die Benennung derartiger Kooperationen betrifft, beweisen die Wissenschaftler/innen durchaus Sinn für Romantik: „Charming kiss“ nennen sie den Vorgang, wenn Pflanzen Bakterien „wachküssen“, um sie für ihre Zwecke zu nutzen. Die Bakterien werden dadurch aktiv, scheiden Stoffwechselprodukte aus und locken ihrerseits Einzeller an. Diese grasen dann die Bakterien ab und scheiden Stickstoff aus, der dann wieder der Pflanze zur Verfügung steht.

Wissenschaftler/innen, die sich mit dieser Thematik beschäftigen, betonen, dass eine ausgewogene, leguminosenhaltige Fruchtfolge ebenso wie organische Düngung mit Mist und Kompost sowie eine angepasste Bodenbearbeitung die Basis für eine funktionierende aktive Nährstoffmobilisierung ist. Pflanzen, die mit Nährstoffen überversorgt werden, tendieren hingegen dazu, „faul“ zu werden und bringen sich nicht mehr aktiv in dieses faszinierende Beziehungsgeflecht ein.

Das vielversprechende Netzwerk zwischen Pflanze, Boden und Mikroorganismen lohnt einen genaueren Blick und zeigt, dass sich vieles einfach von selbst regelt – eine Erkenntnis, die auch das gängige Verständnis der Pflanzenernährung ganz grundlegend verändern könnte.

Für die Pflanzenernährung spielen neben den pflanzenverfügbaren Nährstoffen auch Nährstoffvorräte des Bodens und des Ausgangsgesteins, Bodenstruktur und Bodenfeuchte, Durchwurzelung, physikalische und chemische Veränderungen während der Vegetationsperiode sowie Anzahl und Aktivität der Bodenorganismen eine wesentliche Rolle.

Im Biolandbau ist man bemüht, durch vielfältige Maßnahmen wie ausgewogene Fruchtfolgen, organische Düngung und angepasste Bodenbearbeitung optimale Bedingungen für das Pflanzenwachstum zu schaffen. Biobäuerinnen und Biobauern „füttern“ daher nicht nur die Pflanze, sie kümmern sich darum, dass das ganze System Pflanze – Boden – Mikroorganismen gut zusammenspielt.

Download „Gut vernetzt“

Quelle: Friedel, J. (2014): Aktive Nährstoffmobilisierung durch Pflanzen. Vortrag am Symposium „Die Farbe der Forschung – Das Innovationspotenzial von Beziehungsnetzen“, Berlin, www.youtube.com/watch?v=iOkiL7NEFv0; Jäger, M. (2014): Vitale Pflanzen erschließen sich P und K aus den Bodenreserven. bioaktuell 7/14; Scheller, E. (2013): Grundzüge einer Pflanzenernährung des Ökologischen Landbaus. Ein Fragment. Verlag Lebendige Erde, Darmstadt; Friedel, J. (2008): Aktive Nährstoffmobilisierung und ihre Bedeutung für die Düngungspraxis im Biologischen Landbau. Umweltökologisches Symposium, LFZ Raumberg-Gumpenstein.

 


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