Soil Food Web, Boden, Bio 3.0, #biodreinull, Wissensvisualisierung, FiBL, dform, SCR

Bio 3.0-Wissen No. 11: Soil Food Web – vom Boden-Leben unter uns

Boden / Soil Food Web

Soil Food Web – vom Leben in der Unterwelt.Es gibt ihn seit Millionen von Jahren, er beherbergt eine unvorstellbare Zahl an Tier- und Pflanzenarten, von denen erst ein Bruchteil erforscht ist. Er sorgt für Nahrungsproduktion, Wasserspeicherung und Klimaregulation. Er ist geheimnisvoll, in seiner Vielfalt einzigartig und er ist gefährdet.

Die erste Assoziation ist wohl „tropischer Regenwald“, oder? Allerdings ist hier von einem weniger exotischen, aber genauso faszinierenden Lebensraum die Rede: vom Boden. In ihm trifft Lebendes auf Mineralisches, Bakterien gehen Verbindungen mit Pflanzen ein und diese kooperieren wieder mit Pilzen. Unter unseren Füßen pulsiert also, von uns mehr oder weniger unbemerkt, pralles Leben.

Der Anteil lebender Biomasse an der organischen Gesamtsubstanz des Bodens beträgt zwar nur etwa 5 % , die Zahl und Diversität der Bodenlebewesen ist dennoch beeindruckend: Auf einem Hektar Boden tummeln sich zumindest 15 Tonnen unterschiedlichster Bodenlebewesen – das entspricht einem Gewicht von 20 Kühen. In der Biolandwirtschaft schätzt man diese unterirdischen „Nutztiere“ und ist bemüht, sie mit angepassten Bewirtschaftungsmaßnahmen zu „füttern“ und zu fördern. Nicht ganz uneigennützig, denn die organische Substanz ist Voraussetzung dafür, dass das System Boden funktioniert. Ohne Humus und Bodenorganismen gibt es keine Bodenfruchtbarkeit: Erosionsschutz, Wasserspeicherfähigkeit, Nährstoffmobilisierung, Durchlüftung, Kohlenstoffspeicherung, Schädlingsregulierung und Lebensraumfunktion des Bodens – sie alle hängen von der organischen Substanz ab.

Das komplexe Beziehungsgeflecht aller Organismen, welche in direktem oder indirektem Austausch mit dem Boden stehen, bezeichnen Wissenschafter/innen durchaus launig als „Soil Food Web“. Zwar gilt auch im Boden das Gesetz von fressen und gefressen werden, doch egal ob
Bakterien, Algen, Pilze, Springschwänze, Milben, Ringel- und Regenwürmer – Bodenorganismen sind keine Einzelkämpfer. Ohne den eigenen Vorteil aus den Augen zu verlieren, setzen sie auf Kooperation. Die einzelnen Organismen übernehmen in diesem Netzwerk unterschiedlichste Funktionen, kooperieren untereinander, pflegen aber auch mit Pflanzen einen regen Austausch. So versorgen die Pflanzen über ihre Wurzeln die Bodenorganismen mit Energie, die Mikroorganismen wiederum binden Stickstoff aus der Luft, mobilisieren Mineralien aus dem Gestein, bilden organische Substanz, verbessern die Bodenstruktur, versorgen die Pflanzen mit Nährstoffen, produzieren hormonähnliche und antibiotische Substanzen und halten allfällige Schädlinge in Schach.

Der Boden Soil Food Web

Ein unterirdisches Netzwerk ungeahnten Ausmaßes bilden Pflanzenwurzeln und Mykorrhizapilze. Diese Pilze dringen mit ihren Hyphen in die Pflanzenwurzeln ein und durchwachsen gleichzeitig den Boden. Die feinen Hyphen nehmen Wasser, Phosphor und andere Nährstoffe, die für die Pflanzenwurzeln nicht erreichbar sind, aus dem Boden auf und schützen die Wurzel vor Krankheitserregern. Dafür erhalten die Pilze von der Pflanze wichtige Kohlehydrate. Bäumchenartige Pilzstrukturen, die Arbuskeln, sorgen in der Wurzelrinde für optimalen Stoffaustausch. Über 80 % aller Landpflanzen sind über Pilzgeflechte miteinander verwoben. Sie können darüber auch mit ihren Nachbarinnen kommunizieren, um sie z. B. vor Gefahren wie Schädlingen zu warnen. Ein Verzicht auf Pestizide – wie im Biolandbau klar geregelt – wirkt sich positiv auf diese faszinierende Partnerschaft aus.

Die komplexe Dynamik des Bodenlebens ist zwar noch nicht vollständig erforscht, dass sich vielseitige Fruchtfolgen, organische Düngung oder Pestizidverzicht positiv darauf auswirken und zu einer funktionierenden Gesamtstruktur des Bodennahrungsnetzes beitragen, gilt hingegen als wissenschaftlich erwiesen. Ein unsichtbares Ökosystem, das in seiner Vielfalt unsere kühnsten Vorstellungen übersteigt, sorgt in fruchtbaren Bio-Böden für extrem dynamische, funktionierende Kooperationen. Ein Netzwerk, auf das es sich lohnt zu setzen – deshalb schätzt man im Biolandbau die Bodenorganismen – von Bakterien bis zu den Regenwürmern – auch als wesentliche Mitarbeiter.

Böden sind höchst lebendig. In einem Gramm fruchtbaren Boden leben Milliarden unterschiedlichster Bakterien, Pilze, Algen, Würmer, Milben, Asseln, Springschwänze, Insektenlarven etc. Je nach Schätzungen sollen ein Viertel bis zu zwei Drittel aller Arten der Welt versteckt unter der Erdoberfläche leben.

Ohne Humus und Bodenorganismen gibt es keine Bodenfruchtbarkeit. Im Biolandbau gehört die Förderung der Bodenfruchtbarkeit zu den wesentlichen Grundprinzipien. Bio-Bäuerinnen und Bio-Bauern setzen auf aktiven Humusaufbau und sind bemüht die unterirdischen „Nutztiere“ zu „füttern“ und zu fördern.

Download „Soilfoodweb“

Quelle: Heinrich-Böll-Stiftung, IASS, BUND, Le Monde diplomatique (Hrsg.) (2015): Bodenatlas. Daten und Fakten über Acker, Land und Erde; Beste, A. (2015): Down to Earth – Der Boden, von dem wir leben. Zum Zustand der Böden in Europas Landwirtschaft; Eisenhauer, N. et al. (2013): Plant diversity effects on soil food webs are stronger than those of elevated CO2 and N deposition in a long term grassland experiment. PNAS; Blum, W. (2010): Die Sanduhr läuft. Politische Ökologie 119; FiBL (2013): Grundlage zur Bodenfruchtbarkeit,
FiBL Dossier ; Gollner, M. (2003): Auswirkungen acker- und pflanzenbaulicher Maßnahmen sowie der Dauer der ökologischen Bewirtschaftung auf die arbuskuläre Mykorrhiza im Ökologischen Landbau. Dissertation.


Teilen Sie diesen Beitrag!

Facebooktwittermail