
Bio 3.0-Wissen No. 10: Äußerst funktional – Der Geschmack von Terroir
Boden / Bodenfunktionen und -leistungen
Terroir – Weinkenner/innen sprechen gerne vom Terroir und versuchen den Geschmack des Bodens im Wein wiederzufinden. Auch wenn es ehrlicherweise wohl nur geübte Gaumen schmecken – im Wein entfalten sich die Aromen, die durch die Sonne und die im Boden gespeicherten Nährstoffe entstanden sind, als „Geschmack des Bodens“.
Beim Essen hingegen verschwenden wir paradoxerweise kaum einen Gedanken daran. Wieso ist das so? Schließlich hängt die Produktion jedes Lebensmittels, egal ob tierischen oder pflanzlichen Ursprungs, direkt oder indirekt mit dem Boden zusammen. In jedem unserer Nahrungsmittel stecken dessen Nährstoffe – wohl ein deutliches Indiz, dass die Qualität des Bodens auch für die Qualität unseres Essens eine wesentliche Rolle spielt.
Wir haben den Boden vielfach zwar aus den Augen verloren, doch ist die Geschichte unseres Lebens untrennbar mit ihm verbunden. Vielfach unterschätzt und ignoriert ist der Boden eines unserer kostbarsten Güter. Als komplexes vielschichtiges Ökosystem bildet er die Basis für menschliches, tierisches und pflanzliches Leben auf unserem Planeten und bei genauerer Betrachtung wird schnell klar – der Boden ist ein Multitalent.
Wer macht eigentlich das Terroir?
Eine unüberschaubare Vielzahl von Bodenorganismen sind für den Auf-, Um- und Abbau von organischen Stoffen im Boden verantwortlich und beeinflussen somit die Stabilität ganzer Ökosysteme. Böden dienen Pflanzen als Wurzelraum und als Lieferant von Wasser, Sauerstoff und Nährstoffen. Sie bilden die Grundlage des Pflanzenwachstums und damit auch für all jene Lebewesen, die sich direkt oder indirekt von diesen Pflanzen ernähren. Der Boden ist darüber hinaus wichtiger Puffer und Speicher von Wasser, Mineral- und Nährstoffen, er filtert Schadstoffe, er bindet große Mengen an Kohlenstoff und reguliert dadurch das Klima. Der Boden ist nicht weniger als die Lebensgrundlage von uns Menschen, unser Lebensraum, den wir in Anspruch nehmen und für den wir auch die Verantwortung tragen.
Doch apropos Verantwortung: Die Rolle, die der Boden in unserer Gesellschaft eigentlich spielt, ist uns in unserem Umgang mit ihm oft nicht bewusst. Seit Jahrtausenden wird er von Menschen genutzt und geprägt: um Nahrungsmittel anzubauen, Tiere weiden zu lassen, Städte und Straßen zu bauen, Bodenschätze zu fördern, um Forstwirtschaft zu betreiben, spirituelle Werte auszudrücken oder die Freizeit zu verbringen. Land und Boden haben weltweit vielfältige soziale, ökologische, kulturelle, spirituelle und ökonomische Funktionen. Der Boden und seine Nutzung hat unsere Geschichte, Politik und Kultur geprägt.
Und er spielt auch für unsere Zukunft eine existentielle Rolle. Die Weltgemeinschaft hat sich drei wichtige Ziele gesetzt: Der Verlust der Biodiversität soll gestoppt werden, die Klimaerwärmung soll 2° Grad Celsius – gegenüber dem Niveau vor Beginn der Industrialisierung – nicht übersteigen und jeder Mensch soll das Recht auf ausgewogene Nahrung haben. Das Problem: Ohne fruchtbare Böden wird keines dieser Ziele erreicht werden. Denn Böden erfüllen all ihre Funktionen nur, wenn das Bodenleben intakt, die Humusschicht gesund und die Landrechte gesichert sind.
Umso erstaunlicher, wie wenig zum Schutz dieses empfindlichen und komplexen Ökosystems, das auf dem Zusammenspiel biologischer, chemischer und physikalischer Bodenprozesse beruht, weltweit passiert. Die biologische Landwirtschaft stellt sich den drängenden Fragen und bietet auch zahlreiche Antworten zur Sicherung der Bodenfruchtbarkeit. Sie entzieht sich nicht der Verantwortung, doch eines ist klar: die globale Bedeutung der Böden verlangt nach globalen Antworten.Die biologische Landwirtschaft sorgt mit zahlreichen Maßnahmen wie Humusaufbau, organischer Düngung, Förderung des Bodenlebens, vielfältigen Fruchtfolgen, Anbau von Mischkulturen und Leguminosen, schonender Bodenbearbeitung, Verzicht auf Mineraldünger und Pestizide dafür, dass die vielfältigen Funktionen des Bodens langfristig erhalten werden.
Quelle: Heinrich-Böll-Stiftung, Institute for Advanced Sustainability Studies, Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland und Le Monde diplomatique (Hrsg.) (2015): Bodenatlas: Daten und Fakten über Acker, Land und Erde; Wilhelm, B. (2010): Lebenswichtig und doch vernachlässigt. Über die Bedeutung des Bodens. Der kritische Agrarbericht 2010; www.hypersoil.uni-muenster.de, www.bodenfruchtbarkeit.org, www.umweltbundesamt.de
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