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Bio 3.0-Wissen No. 06: Nährwert und Mehrwert – Multifunktionalität Landwirtschaft

Best Practice Landwirtschaft / Multifunktionalität:

Multifunktionalität Landwirtschaft – Wir alle haben direkt oder indirekt mit ihr zu tun. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn da sie uns Menschen mit Nahrungsmitteln in ausreichender Menge und Qualität versorgt, führt kein Weg an der Landwirtschaft vorbei.

grafik5Doch was hat es für Auswirkungen, wenn jedes Jahr zahlreiche Bauernhöfe „schließen“ oder nur mehr im Nebenerwerb bewirtschaftet werden? Müssen wir um unsere Ernährungssicherung fürchten? Offenbar nicht. Die Betriebe werden zwar weniger, dafür zunehmend größer und dank Produktions- und Effizienzsteigerung scheint unsere Ernährung gesichert. Aber war da nicht noch was?

Wie so oft lohnt sich ein Blick über den Tellerrand – in diesem Fall sogar im wahrsten Sinne des Wortes: Die Stärke der Landwirtschaft liegt nämlich neben der Ernährungssicherung in ihrer Multifunktionalität. In den zahllosen von ihr erbrachten Leistungen, die weit über die Produktion von Lebensmitteln, Rohstoffen und Energie hinausgehen.
Es mag vielleicht erstaunen, doch auch wenn in den EU-Ländern der Anteil der in der Landwirtschaft Beschäftigten bei wenigen Prozenten liegt, bildet die Agrikultur immer noch die Existenzgrundlage von mehr als einem Drittel der Menschheit. Sie gestaltet die soziale Struktur ländlicher Räume, schafft Arbeitsplätze und stellt eine Vielzahl von öffentlichen und privaten Gütern für Mensch und Umwelt samt funktionierenden Ökosystemen bereit. Nur eine Vielfalt an landwirtschaftlichen Betrieben sichert die Vielfalt unserer Ernährung. Und nicht zuletzt: Landwirtschaft „produziert” für die meisten Menschen so etwas wie „Heimat“: Schönheit, Eigenheit, Geschmack, Geschichte und Tradition von Regionen und Kulturlandschaften formen unsere Identität. Kaum eine Zivilisation ist ohne ihre besondere Agrar- und Ernährungskultur denkbar.

Nicht schlecht, was das „Landwirtschafts-Package“ alles bietet. Das sieht auch der Weltagrarbericht so, der von 60 Regierungen weltweit verabschiedet wurde und die ökologischen Leistungen und damit auch die Umweltverantwortung der Landwirtschaft besonders betont. Wohl auch deshalb, weil in den letzten Jahrzehnten der Fokus vor allem auf der Effizienz- und Produktionssteigerung lag, während viele der überlebenswichtigen Dienstleistungen und Güter, die die Landwirtschaft jenseits der Agrarproduktion erbringt, vernachlässigt wurden.

Wert-Schätzung: Multifunktionalität Landwirtschaft
Man kennt das ja, was nichts kostet wird auch nicht unbedingt wert geschätzt. Das gilt auch für einige der wertvollsten Leistungen der Landwirtschaft, die in keine marktwirtschaftliche Logik passen: Wie viel kostet sauberes Grundwasser? Die Sicherung fruchtbarer Böden? Der Erhalt von Biodiversität? Auch wenn viele dieser Leistungen und Güter mit monetären Maßstäben nicht zu fassen sind, kann ihre Bedeutung für die globale Nachhaltigkeit nicht hoch genug geschätzt werden und spielt für das Überleben der Menschheit eine zentrale Rolle.
In jüngster Zeit haben Wissenschaft und Politik begonnen, die Multifunktionalität der Landwirtschaft stärker zu berücksichtigen. Neben der Sensibilisierung für die umfassenden Leistungen braucht es einen ganzheitlichen Ansatz, der anerkennt, dass ein Bauer, eine Bäuerin nicht nur landwirtschaftliche Erzeugnisse produziert, sondern auch ein agrarökologisches System managt, das, quasi kostenlos, Umweltdienstleistungen und Umweltschutz, wirtschaftliche Entwicklung, Arbeitsplätze, Lebensmittelsicherheit und -qualität, soziale Stabilität, Kultur, Tradition und Identität garantiert.

Neben all den Leistungen gilt es aber auch, deren negative Effekte nicht kleinzureden. Oft ist es die Landwirtschaft selbst, die ihre eigentlichen Leistungen konterkariert und so sind die negativen Auswirkungen mitunter genauso vielfältig wie die positiven.

Vor diesem Hintergrund hat sich der Weltagrarrat deutlich gegen die internationale Entwicklung in Richtung industrielle Landwirtschaft ausgesprochen und plädiert für eine multifunktionale Landwirtschaft, die nicht nur weltweit zur Ernährungssicherung beiträgt, sondern auch den Erhalt bzw. die Qualität von Wasser, Boden, Klima und Artenvielfalt sichert. Die biologische Landwirtschaft ist dabei sicher der konsequenteste Weg diese Multifunktionalität auch langfristig zu gewährleisten.

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Landwirtschaft ist multifunktional und geht weit über die Lebensmittelproduktion hinaus. Non-Food-Produkte, Umweltdienstleistungen und Umweltschutz, wirtschaftliche Entwicklung, Schaffung von Arbeitsplätzen, Lebensmittelsicherheit und -qualität, soziale Stabilität, Erhalt von Kultur, Tradition und Identität sind weitere wesentliche landwirtschaftliche Leistungen.

Die biologische Landwirtschaft sichert aufgrund ihrer Grundprinzipien funktionierende Ökosysteme und trägt damit konsequent dazu bei, diese Multifunktionalität auch langfristig zu gewährleisten.

Download „Nährwert und Mehrwert“

 

Quelle: Albrecht, S.; Engel, A. (Hrsg.) (2009): Weltagrarbericht. Synthesebericht. Hamburg University Press; IAASTD (2008): Towards Multifunctional Agriculture for Social, Environmental and Economic Sustainability. Issues in Brief; UNCTAD (Hrsg.) (2013): Wake up before it is too late. Trade and Environment Report 2013; Zerger, C.; Holm-Müller, K. (2011): Gemeinwohl steigernde Leistungen der Landwirtschaft. Landwirtschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn; www.weltagrarbericht.de


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