
Bio 3.0-Wissen No. 44: Appetit auf Gerechtigkeit
Fairness / Fairer Handel
Appetit auf Gerechtigkeit. Unsere Art zu leben und zu konsumieren wirkt nicht nur auf unsere unmittelbare Umgebung, sie hinterlässt auch in anderen Teilen der Welt ihre Spuren. Und während wir uns über ständig verfügbare und billige exotische Genüsse wie Kaffee oder Schokolade freuen, müssen Landwirt/innen und Arbeiter/innen am anderen Ende der Produktionskette meist teuer dafür bezahlen.
Aufgrund der herrschenden Welthandelsstrukturen versorgen viele Länder, deren Bevölkerung unter Hunger leidet, die Futter-, Faser-, Treibstoff- und Genussmittelindustrie des Nordens mit billigen Rohstoffen – zu hohen ökologischen und sozialen Kosten. Der Faire Handel setzt da einen klaren Kontrapunkt. Nach dem Prinzip „Helfen durch Handel“ sollen eine gerechte Bezahlung, langfristige Lieferverträge, die Einhaltung sozialer Arbeitsstandards, Investitionen in Bildungs-, Gesundheits- oder Umweltprojekte, Angebot von Fortbildungsmaßnahmen, gleichberechtigte Mitbestimmung sowie auch das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit die Lebensgrundlage der Bäuerinnen und Bauern in den Ländern des Südens sichern sowie Bildung, medizinische Versorgung und Altersvorsorge ermöglichen. Dabei geht es nicht um die Verteilung von Almosen, sondern um gleichberechtigte Partnerschaft und Selbstbestimmung. Dialog, Transparenz und Respekt bilden wesentliche Pfeiler der Zusammenarbeit. Um dieser Wertschätzung auch einen überprüfbaren Rahmen zu geben und soziale, ökonomische und ökologische Standards festzuschreiben, werden faire Produkte entsprechend zertifiziert und die Produktions- und Vertriebswege genau kontrolliert.
Vertreter/innen des Fairen Handels sind sich bewusst, dass es immer noch besser geht und arbeiten daher regelmäßig an Optimierungsmöglichkeiten. Da der durch den fairen Handel vorgeschriebene Mindestpreis, der immer über dem Weltmarktpreis liegt, auch nicht immer ausreicht, um ein Leben in Würde leben zu können, haben Organisationen des Fairen Handels eine neue Methode zur länderspezifischen Berechnung existenzsichernder Löhne entwickelt. Diese werden nun schrittweise eingeführt und sind hoch genug, um in allen Ländern einen angemessenen Lebensstandard führen zu können. Außerdem wird daran gearbeitet auch die Situation für Wander- und Saisonarbeiter/innen sowie für Erntehelfer/innen dauerhaft zu verbessern und durch entsprechende Standards zu schützen.
Bio und Fair
Auch wenn Bio nicht automatisch fair und fair nicht automatisch Bio ist, so sind die biologische Landwirtschaft und der faire Handel so etwas wie verwandte Seelen. In beiden Bereichen spielt Fairness eine große Rolle – wenn auch mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung. Vorrangiges Ziel des Fairen Handels ist die soziale Absicherung der Produzent/innen, die in weiterer Folge Investitionen in umweltschonende Produktions- und Anbauweisen bedingt. Insofern fördert der Faire Handel eine sozial und ökologisch nachhaltige Wirtschaftsweise, die die Bedürfnisse der heutigen Generation berücksichtigt, ohne damit die Lebens- und Entwicklungsmöglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden.
Doch auch wenn die Umstellung auf biologische Landwirtschaft angestrebt und gefördert wird, ist sie keine Bedingung, um eine Partnerin des Fairen Handels zu werden. Viele Bäuerinnen arbeiten traditionell ökologisch, können sich aber die Bio-Zertifizierung (noch) nicht leisten oder haben nicht die Ressourcen und die Expertise, um von Anfang an auf biologische Landwirtschaft zu setzen. Würde der Faire Handel ausschließlich mit Bio verknüpft werden, wären viele der ärmsten Familien vorerst davon ausgeschlossen. Dennoch, die Anzahl fair gehandelter Bio-Lebensmittel steigt ständig.
Das ist erfreulich, denn eine Kombination von Bio und Fair bietet eine nachhaltige Alternative für eine zukunftsfähige Welternährung. Um diese Partnerschaft weiter zu stärken, wäre es aber wichtig, nicht nur auf das Engagement der Konsument/innen und einzelner Initiativen und Organisationen zu setzen, sondern Standards, die für den Fairen Handel längst eine Selbstverständlichkeit sind, eine gesetzliche Basis zu geben.
Die biologische Landwirtschaft und der faire Handel sind so etwas wie verwandte Seelen und bieten in ihrer Kombination eine nachhaltige Alternative für eine zukunftsfähige Welternährung.
Download „Appetit auf Gerechtigkeit“
Quelle: Frühschütz, L. (2017): Bio-fair und doch zu wenig. Ökologie & Landbau 01/2017; IAASTD (2009): Global Report. Agriculture at a Crossroads; Michael Hesse (2009): Ökologischer Landbau und Fairer Handel in Entwicklungsländern Möglichkeiten nachhaltiger Ertragssteigerung und Beitrag zu Ernährungssicherung und Entwicklung. DITSL GmbH, Witzenhausen; www.fairtrade.at
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