
Bio 3.0-Wissen No. 40: Ganzheitlich betrachtet – Ganzheitliche Analysemethoden
Lebensmittelqualität / ganzheitliche Analysemethoden
Ganzheitliche Analysemethoden. Wenn wir Bio-Lebensmittel kaufen, wollen wir uns logischerweise darauf verlassen, dass diese auch wirklich aus biologischer Landwirtschaft stammen. Und das können wir auch, denn die Bio-Richtlinien definieren ganz genau was Bio ist und was nicht und das Kontrollsystem ist umfassend und entlang der gesamten Wertschöpfungskette lückenlos.
Es gibt aber noch eine zusätzliche Möglichkeit die Qualität biologischer Lebensmittel festzustellen: mittels sogenannter ganzheitlicher Analysemethoden. Diese spiegeln den ganzheitlichen Ansatz der biologischen Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung wider.
Nehmen wir zum Beispiel einen Apfel: dieser lässt sich mit chemisch-analytischen Methoden in sämtliche seiner Inhaltsstoffe zerlegen. Das neuerliche Zusammenfügen aller Einzelkomponenten zu einer vollständigen Frucht ist bisher allerdings noch nicht geglückt. Das Ganze ist also mehr als die Summe seiner Teile. Deshalb werden zur umfassenden Charakterisierung von Lebensmittelqualität neben chemisch-analytischen Methoden zunehmend auch sogenannte ganzheitliche Methoden herangezogen und laufend weiter entwickelt. Diese stellen nicht einzelne Inhaltsstoffe in den Mittelpunkt, sondern das ganzheitliche Zusammenwirken der einzelnen Bestandteile – sozusagen die „Vitalität“ des Lebensmittels. In Kombination mit analytischen Verfahren können ganzheitliche Methoden zusätzliche qualitätsrelevante Informationen liefern. Es lassen sich dadurch unterschiedliche Anbausysteme – also biologische und konventionelle Lebensmittel – meist eindeutig unterscheiden. Wodurch diese Unterschiede zustande kommen? Daran wird noch geforscht.
Das Ganze und die Summe seiner Teile
Ganzheitliche Untersuchungsmethoden analysieren noch weitgehend ganze, das heißt chemisch-physikalisch so wenig wie möglich zerlegte Lebensmittel. Eine Reihe dieser Methoden wurde als Labormethoden bereits dokumentiert, standardisiert und validiert.
Die bisher wohl am besten untersuchte ganzheitliche Methode ist die sogenannte Biokristallisation. Sie wurde in den 1920er Jahren entwickelt und wird zur ganzheitlichen Qualitätserfassung vor allem von pflanzlichen Lebensmitteln eingesetzt. Das Lebensmittel wird zur Vorbereitung in eine wässrige Form gebracht und zusammen mit Kupferchlorid, einem Salz, verdampft. Dabei kristallisiert das Kupferchlorid und es entstehen je nach Probe charakteristische Bilder. Diese Bilder werden visuell oder computerunterstützt nach morphologischen Kriterien, z. B. nach Art der Verzweigungen und nach messbaren Eigenschaften der Textur, ausgewertet. Geschulte Personen können mit dem Verfahren Produkte aus biologischem und konventionellem Anbau unterscheiden. Eine wissenschaftliche Erklärung, warum Kupferchlorid diese Strukturen ausbildet gibt es bisher noch nicht.
Auch mit Hilfe der Fluoreszenz-Anregungs-Spektroskopie sind Rückschlüsse auf die Herkunft bzw. Verarbeitung von landwirtschaftlichen Produkten und Lebensmitteln möglich Diese Methode beruht als optisches Verfahren darauf, dass Lebensmittel nach Bestrahlung mit Licht unterschiedlich stark nachleuchten bzw. sogenannte Biophotonen emittieren. Zur Messung dieser Photonenemission wird die Nachleucht-Intensität der zu untersuchenden Probe in vorgegebenen Intervallen gemessen. Das Nachleuchten ist zu Beginn am stärksten und klingt dann ab. Diese „Abklingkurven“ sind für jedes Lebensmittel charakteristisch. Dadurch können z. B. unterschiedliche Reifestadien bei Obst und Gemüse, Haltungsbedingungen von Legehennen und Anbauverfahren unterschieden werden.
Nicht zuletzt lassen sich mit Futterwahlversuchen Unterschiede zwischen Anbausystemen feststellen. Ratten beispielsweise, die frei zwischen biologischen und konventionellen Karotten wählen dürfen, entscheiden sich meist klar für die Bio-Variante. Der geringere Wassergehalt und die damit verbundene höhere Geschmacksintensität sowie die Freiheit von Pestizidrückständen könnten zur Beliebtheit der Bio-Produkte beitragen.
Spannend und vielversprechend jedenfalls, was sich in der Bio-Qualitätsforschung so tut. Es gibt zwar noch offene Fragen, aber an denen wird bereits eifrig geforscht.
Lebensmittel sind weit mehr als die schön verpackte Form von Wasser, Nährstoffen und Kalorien. Mittels ganzheitlichen Verfahren, zu denen bildschaffende, physikalische und physiologische Methoden gehören, wird in der Bio-Qualitätsforschung versucht, dem vielschichtigen Qualitätsbegriff von Lebensmitteln gerecht zu werden.
Download „Ganzheitlich betrachtet“
Quelle: FiBL (Hrsg.) (2015): Nachhaltigkeit und Qualität biologischer Lebensmittel. Dossier; Hermanowski, R. et al. (2013): Weiterentwicklung und Nutzungsempfehlungen validierter Methoden
zur Unterscheidung von ökologischen und konventionellen Produkten. Abschlussbericht. FiBL; Kahl, B. J. (2006): Entwicklung, in-house Validierung und Anwendung des ganzheitlichen Verfahrens Biokristallisation für die Unterscheidung von Weizen-, Möhren- und Apfelproben aus unterschiedlichem Anbau und Verarbeitungsschritten. Dissertation Universität Kassel; www.biodynamic-research.net
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